Sehr geehrte Damen und Herren, Freunde, Familie und Mitfühlende,
nach einem langersehnten 12- stündigen Schlaf in unserer endlich wieder trockenen Koje, sitzen wir im Cafe, genießen Torte, guten Kaffee und Rotwein
Leider habe ich gerade gesehen, dass von unseren ausführlichen Texten, die ich mühevoll auf der veralterten Tastatur des Satelitentelefones ( da es für mac noch kein email Programm gibt ) geschrieben habe, keiner durchgekommen ist
Das ist aber auch das einzige, was es negatives zu berichten gibt
Vorab möchten wir uns bei allen lieben Menschen bedanken, die uns bei unserer Tour unterstützen. Insbesondere gilt mein Dank, meiner geliebten Familie, ohne deren Unterstützung ich diese Reise gar nicht unternehmen könnte!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
7. Juli der langersehnte Aufbruch zu unserer gemeinsamen Seereise nach La Graciosa (Canary Island)
Auszüge aus meinem Tagebuch:
” Samstag, 7. Juli, erster Seetag
Erster Seereisetag, wir machen die Leinen los, und laufen unter Motor Richtung offene See, da wir bei der Ausfahrt aus der Mündung Wind von vorne haben.
Unterwegs gibt es einen kurzen Schauer, der sich aber schnell wieder auflöst und wir haben wieder Traumwetter bei ca. 3 Windstärken. Die Stimmung ist super, also setzen wir den Parasailer und die Reise geht, die Reise geht ab!!!
Unterwegs fangen wir an, uns an Coke und Brownies zu vergehen. Doch kurze Zeit später stoßen wir von selbigen immer wieder auf und mir wird klar; oh nö, Seasick!!!
Mist, ich dachte dass hätte ich hinter mir. Egal ich werde auch mit diesem flauen Gefühl im Magen mir die Reise, von der ich so lange geträumt habe, nicht verderben lassen (sagt sich leicht, ist aber nicht so einfach ).
Bei schnelleren Bewegungen an Deck oder in der Kajüte muß ich besonders aufpassen. In diesen Situationen muß ich ständig aufstoßen und fange an, in kurzen Abständen zu gähnen.
Der Wind und die See nehmen jetzt am Abend zu und wir binden zur Schlafenszeit das zweite Reff ins Groß.
Wir legen uns in die Koje, und stecken abwechselnd unsere Köpfe aus dem Schiebeluk, um nach eventuell passierenden Containerschiffen oder ähnlichen Schwimmkörpern Ausschau zu halten.
Ich versuche diese Prozedur noch ca. 3 Stunden, bis 02.30 Uhr durchzuhalten, gebe dann aber unfreiwillig auf und erwache erst am nächsten Tag.
8. Juli Sonntag, zweiter Tag auf See
Geweckt werde ich am nächsten Morgen, zu meiner Freude gleich mit einem Biss an der Angel, den ich ohne Tim wohl verschlafen hätte und nach dem Aufwachen wohl nur noch eine Rolle ohne Schnur vorgefunden hätte.
Also bin ich blitzschnell an die Angel, ( mal gut, dass Tim sich damit nicht auskennt )
und habe den Fisch versucht zum Boot zu kurbeln.
Die Freude war groß, als ich den Burschen zu Gesicht bekam, ein Thunfisch, doch ihm ging es sehr wahrscheinlich überhaupt nicht so, und er entschließt sich noch einmal einen Gang runter zu schalten und entgegen der Schur abzuhauen. Ich zog an der Angel, um gegenzuhalten, dann wurde es leicht und ich konnte den Köder ohne den Happen einkurbeln
Schwer angekratzt, in meiner Jägerehre verkrieche ich mich wieder in die Koje.
Vielleicht ist es besser so , denn jetzt ist es wieder da; dieses miese flaue Gefühl im Magen, ( Seasick ) mit dem ich eh keinen Fisch ausnehmen könnte.
Auf Grund der hohen See, nehme ich nicht wie gewohnt ein Morgenbad an der Heckleiter, sondern einen von unseren Eimern, um ihn als Dusche zu benutzen. Wichtig ist, darauf zu achten, den richtigen Eimer für den richtigen Zweck zu benutzen. Der eine ist blau ( zum waschen ) und der andere schwarz ( Beseitigung sonstiger menschlicher Ausscheidungen ), die farbliche Unterscheidung ist auf jeden Fall einzuhalten
Es passiert eigentlich nicht viel, ab und zu die Segel nachzustellen und viel schlafen. In der Hoffnung, dass beim Aufwachen dieses flaue Gefühl endlich verschwunden ist.
Ich liege in der Koje, spanne meine Muskeln an und sage mir immer wieder; nein! nicht mit mir! dieser Zustand wird nicht bleiben! morgen wird es vorbei sein!
Tim erreicht jetzt noch seinen Höhepunkt und muss sich über die Reling beugen, um sich alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. ( armer Kerl, ich kenne dieses Gefühl )
Tim hat irgendwie eine andere Art und Weise damit fertig zu werden, er beschäftigt sich den ganzen Tag mit irgendwelchen Sachen und ich verbringe die meiste Zeit in der Koje um meinen verlorenen Schlaf der letzten stressigen Monate nachzuholen.
Montag, 9. Juli, dritter Tag auf See
Endlich ist es weg, dieses miese flaue Gefühl im Magen, ich stehe auf, natürlich nach dem Ausschlafen
Dann nehme ich eine Dusche im Cockpit und mache mich frisch.
Zum Frühstück gibt es wie gewohnt Obst, was anderes bekomme ich gar nicht runter, im Gegensatz zu Tim. Der futtert, ( gefühlt ) den ganzen Tag wie ein Scheunendrescher, zu mindestens empfinde ich das so
Wir haben wieder anständig Wind,
und ich reffe die Segel nicht, dieses wird argwöhnisch von Tim beäugt und dieses kommt auch immer wieder zur Sprache, nachdem wir zeitweise im Wellental unsere 13 Knoten erreichen. Ich habe sichtlich Spass an diesem Surf
Muss mir aber eingestehen, das Tim Recht hat. Wir müssen unser Material schonen und können uns hier draussen einfach keinen “ fuck up “ erlauben.
Das Boot geht wirklich super in diesen Wellen, fühlt sich auch mit dieser Zuladung noch an wie ne Jolle und man merkt bei gewisser Kränkung sofort das Kielgewicht.
Es gibt ein Nudelgericht à la Tim, sehr lecker nach zwei Tagen Trockenfutter
Dann gibt es eine neue Chance, die Jägerehre wieder herzustellen. Tim endeckt wieder den Biss an der Rute, und dieses mal landen wir Ihn :):)
Wenige Minuten später, zücke ich mein Fieletmesser und schneide uns 2 dünne Scheiben vom Fleisch herraus, die dann sofort von der Hand in den Mund als Sushi vertilgt werden.
Uns tut der Sportsfreund irgendwie leid, aber wir nehmen unserem Rang in der Nahrungskette in Anspruch. Er wollte schließlich auch unseren Köder vernaschen
Unsere High- Tech- kardanische Kochstation muß sich bewähren,
derzeit schälen wir Katoffeln und bereiten Tomatensalat vor, um ihn anschließend zum Thunfischfielet zu kredenzen.
Ich bin berührt, als ich das Sat- telefon checke und zwei Mail´s lese, eine von Johannes Erdmann;
” Hallo Ihr beiden, haltet durch, dass geht vorbei. ES LOHNT SICH!!! ”
Und eine von einem unbekannten, der wohl im Block über uns gelesen hat:
” Hallo Jungs coole Sache!, über die Seekrankheit macht euch keine Sorgen, dass hört auf. ” ( vermutlich auch ein Segler, Nummer von einem Iridium Netz )
Dienstag, 10. Juli, vierter Tag auf See
Wir haben Sonnenschein und herrliche Bedingungen. Wind wechselt im Laufe des Tages zwischen 3-5 Winstärken und See ca. 2-3 m.
Wir fummeln noch ein wenig an der Selbst-Steueranlage herum, bis wir die ideale Einstellung gefunden haben und kontrollieren alle Bolzen und Sicherungen.
Der Tag wird eigentlich in der Koje zum Lesen verbracht, Tim hat mich am Anfang der Reise mit einem Geschenk überrascht:
” The old man and the sea ” von Hemingway in Englisch.
Hat mich berührt, danke Tim ”
11. Juli, vierter Tag auf See
Aufstehen, waschen und meinen Apfel.
Danach wieder alle Reffs raus, aus dem Großsegel, denn wir haben nur noch 4 Knoten auf der Logge, was ich nur schwer ertragen kann, bei diesen schönen Segelbedingungen.
Zur Nacht verkleinern wir meistens die Segelfläche, damit wir Nachts nicht soviel Gerödel haben, sollte der Wind etwas zulegen.
Der Wind legt im Laufe des Tages ständig zu, bis wir schließlich nur noch mit dem Vorsegel unterwegs sind. Der Wetterbericht von Tim, den wir unterwegs über SSB- Wetterfax empfangen, hat auf unserer Strecke 20 – 30 Knoten Wind angesagt. Genau können wir aber die Grib- Files nicht entziffern, da sich auf unserer Wetterfrequenz immer wieder ein afrikanischer Sender befindet. Keine schlechte Musik, aber ordentliche Wetterinformation für unser Gebiet wären auch nicht schlecht Ein Teil der Karte ist lesbar und auf dem anderen sind nur irgendwelche Hieroglyphen erkennbar. Leider genau der Teil, auf dem unsere Route verlaufen soll.
Ok wir können es nicht mehr ändern, denn der nächste Bericht kommt erst gegen 24.00 Uhr.
Gegen Abend wird uns dann schon unwohl, da die See extreme Ausmaße ( empfinden wir jedenfalls so ) annimmt. Ich kann jetzt im dunkeln auch nicht mehr an die angesagten 20 – 30 Knoten glauben.
Die See gleicht langsam einem Gebirge ( wenn auch leicht übertrieben ), aber das passt überhaupt nicht mehr zu unserem Wetterbericht; Wind bis 30 Knoten, See 3m? Ich war doch nun oft und lange genug auf See, aber 30 Knoten und 3m See sehen eindeutig anders aus!
Ich spreche mit Tim und sage ihm dass kann nicht unser angekündigtes Wetter sein. Er geht in die Kajüte und telefoniert mit einem Freund in Schwerin. Der bestätigt nach kurzer Zeit auch unseren Wetterbericht. 30 Knoten Wind, 3m Welle. Wir versuchen über Funk ein Schiff in unserer Nähe zu erreichen um einen aktuellen Wetterbericht zu erfahren. Aber niemand antwortet uns.
Wir legen alle unsere Rettungsmittel in greifbare Nähe, Tim bereitet uns eine Schale mit Knabbereien und Getränken vor, denn wir müssen beide im Cockpit bleiben.
Ich versichere Tim, dass ich alles unter Kontrolle habe, und das Boot immer noch sehr gut handlebar ist.
Trotzdem erkläre ich Tim meine Bedenken, dass die Vorhersage auf keinen Fall stimmen kann und ich unsicher bin, da ich nicht weiß, wie fett es noch kommt.
Ändern können wir es so oder so nicht. Aber immer wieder die Fragen in meinem Kopf;
legt der Wind noch weiter zu?; woher kommt der Wind, den keiner angekündigt hat?; irgendwo ein Hurricane im Anflug?; nein, dass kann nicht sein, denn dann hätte uns sicher irgendwer informiert.
Irgendwann gegen Mitternacht nimmt der Wind nicht mehr zu, und ich kann mich endlich wieder entspannen. Die Windsteueranlage steuert unser Boot durch die Wellen, doch kann ich ihr nicht ganz vertrauen, das Boot schlägt einmal auf dem Wellenkamm quer, so das ich ins Ruder eingreifen muß. Um noch genug Fahrt zu behalten und wieder zu beschleunigen. Ich habe versucht, mal eine Zeit selber zu steuern, mußte aber feststellen, dass der Winpilot es besser kann.
Zweimal kommt eine relativ kleine Welle direkt von der Seite und füllt unser Cockpit bis zur Hälfte mit Wasser, die Lenzlöcher sind viel zu klein und wir pützen wie die Weltmeister.
Ich bin hundemüde, und überlasse Tim das Ruder. Meine Koje gleicht mittlerweile einem Feuchtgebiet der weniger schönen Art. Ich versuche zu schlafen. Geht aber nicht, weil die Geräusche vom Vorstag so laut sind und ich noch einmal sicher gehen möchte , dass die Bolzen-Sicherungen noch sitzen. Ich stehe noch einmal auf, Tim geht aufs Vorschiff und kontrolliert die Sicherung. Er schreit irgend etwas zum Cockpit, ich kann aber nichts verstehen. Als er zurück im Cockpit ist, erklärt er mir, dass alles in Ordnung ist und die Sicherung sitzt.
Ich wundere mich, warum er so lange da vorne am Vorstag gebastelt hat. Darauf hin erklärt er mir: Ich bin so müde und sehe alles doppelt. Wir feiern erstmal schön ab :):)
Ich freue mich darüber dass er so ein mutiges Kerlchen ist. Es geht bei dem Wetter bestimmt nicht jeder aufs Vorschiff, schon gar nicht bei so einer Nussschale
Jetzt lege ich mich wieder in meine nasse Koje, beobachte Tim durch das geschlossene Steckschott und schlafe sofort ein. Tim weckt mich 3 Stunden später, nachdem er schon Streichhölzer gezählt hat und ich löse Ihn wieder ab.
Donnerstag, 12. Juli, 5. Tag auf See
,Die See sieht immer noch beeindruckend aus, aber der Wind ist schon bedeutend weniger. Wir sind hundemüde, aber wir werden heute La Graciosa erreichen.
Wir besprechen noch einmal unser Erlebnis und sind glücklich, dass aus unserem stürmischen Zwischenfall kein ausgeprägter Sturm oder größeres geworden ist.
Des weiteren malen wir uns schon aus, wie wir den Abend an Land verbringen werden. Wichtigstes Thema dabei ist: richtig Essen!
Zwischendurch haben wir noch einmal Delfine am Boot, und dann ist es endlich so weit: Land in Sicht! Hurra jippi
Als wir im Hafen einlaufen, erkennen die anderen Fahrtensegler unsere deutsche Flagge und winken uns zur Begrüßung zu. Dann bewundern diese anschließend unsere ausgewachsene Yacht.
Sofort die nassen Sachen und Polster raus, damit wir wieder trocken schlafen können
Am Abend werden wir von einem französischen Pärchen auf das eine oder andere Glas Wein eingeladen.
Die beiden wollen am Montag auf die Kapverden weiter segeln, und im Dezember dann Richtung Brasilien den Atlantik überqueren.
Ihr Boot ist nur einen Fuß länger als unseres, dafür aber einen halben Meter breiter. Unglaublich was die Breite so ausmacht.
Irgendwann in den nächsten 2 Jahren wollen sie im Pazifik sein, und dann ihr Boot gegen ein größeres tauschen, sofern das Geld noch reicht. Wer weiß was dahinter steckt? Kinderpläne frage ich, vielleicht “ we`ll see “ grinsen die beiden und schauen sich verliebt in die Augen
Ok, wir verabschieden uns, und verabreden ein Date für den morgigen Abend.
Wir suchen uns ein Restaurant und beschließen einstimmig dass es Pizza geben wird.
Anschließend laufen wir zurück zu unserem Boot, packen die getrockneten Sachen wieder ein und hauen uns zufrieden in die Koje!
Bemerkenswert: wie ein solches Erlebnis zusammenschweißt ”
Die Wettersituation lässt uns keine Ruhe und wir versuchen nachträglich Aufklärung zu finden. Jetzt können wir sehen, dass wir auf unserem Wetterfax den wichtigen Ausschnitt, Dank afrikanischer Radiostation, verpasst haben.
Es ist unten in der Karte sichtbar, der dunkle orange Punkt, beantwortet unsere Frage:Wir hatten ca. 40 Knoten Wind.
Um falschen Interpretationen vorzubeugen, möchten wir anmerken, dass niemals Gefahr um Schiff, oder sogar um Leib und Leben bestand. Es gab lediglich die Befürchtung, dass diese stürmische See noch weiter wachsen könnte und am Ende der Reise vielleicht ein Orkan o.ä. auf uns warten könnte.
Wir sind mit Sicherheit noch keine ” Salzbuckel “, aber wir können auf Wunsch, auch eidesstattlich versichern, dass es nicht einen Fleck auf unserer Haut gab, der nicht nach Salz geschmeckt hat
Schade, dass unsere Reise erst im November weitergeht
Erkenntnis: Life is better with sun and in boardshorts!!!!
Liebe Grüße aus La Graciosa, Andrè und Tim